Lange, lange vor Christi Geburt benützten die Orientalen, die Chinesen, die Inder und andere Völker für ihre kultischen Handlungen Glocken. Die Christen bedienten sich in den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens bei ihren gemeinsamen Andachten keiner Glocken. Der christliche Glaube war verpönt und von vielen Regierungen verboten. Die Christen lebten im Untergrund; sie hielten ihre Gottesdienste heimlich und versteckt ab und konnten sie daher nicht ,,an die große Glocke`` hängen.
Erst nach Konstantin d.Großen, 288 geboren und von 306 bis 337 römischer Kaiser, duldete die staatliche Obrigkeit das öffentliche Auftreten der Christen. Doch nicht gleich kündeten diese ihr heiliges Opfermahl und andere kirchliche Handlungen durch Glockengeläute an. Erst nach und nach, besonders seit dem 7.Jahrhundert, breitete sich der Gebrauch der Glocken immer weiter aus. Unter Karl dem Großen (um 800) waren die Glocken in seinem Reiche gut bekannt und in großen Gotteshäusern und in den Kirchen der Pfarren riefen die Glocken damals schon die Gläubigen zum Gebet.
Da in Tirol viele Pfarreien ihren Ursprung bis ins 9.Jahrhundert zurückführen, kann man annehmen, daß es in unserem Lande schon früh Kirchenglocken gab.
Ob die 1260 und 1310 in Inzing erbauten Kirchen Glocken besaßen, ist nicht bekannt. Wenn wir die Verhältnisse unseres Dorfes mit anderen Gemeinden vergleichen, können wir folgendes feststellen:
Die ältesten eindeutig nachweisbaren Glocken in unserer Umgebung hingen seit dem 15.Jahrhundert in Flaurling und Oberleutasch. 1547 besaßen die Telfer vier Glocken und die Rietzer 1672 drei Glocken, wovon die älteste 1449 gegossen worden war. Damit ist aber nicht auszuschließen, daß schon früher in unserer engsten Heimat Glockengeläute erklang.
Nach den ,,Feuerstätten- und Wehrmannschaftszählungen in Tirol`` vom Jahre 1427 hatten Inzing und Hatting, die in diesem Verzeichnis als eine Gemeinde aufscheinen, 72 Feuerstätten und die aus Steuerlisten dieses Jahrhunderts errechnete Einwohnerzahl betrug ca.315. Die entsprechenden Zahlen lauten für Telfs 73, für Flaurling 37, für Leutasch 48 Feuerstätten.
Daraus darf wohl geschlossen werden, daß unser Dorf in Anbetracht seiner Einwohnerzahl ebenso wie Telfs, Flaurling und Leutasch auch schon Glocken besaß.
Sicher wissen wir, daß im alten Kirchenturm, der vermutlich 1451 erbaut und 1712 abgebrochen wurde, mindestens zwei Glocken hingen, nämlich:
Im Ersten Weltkrieg mußten alle Glocken im dritten Kriegsjahr ,,einrücken``; nur die zweitgrößte, die ,,Alte``, blieb uns erhalten. Die anderen wurden am 3.11.1916 vom Turm abgenommen und zum Einschmelzen gebracht. Es war ein Trauertag für unser ganzes Dorf. Das leere Läuten der einsamen ,,Alten`` im Turm ließ die vielen schweren und leidvollen Ereignisse der Kriegszeit noch drückender spüren und dämpfte den Frohsinn der Freudenfeste, die immer seltener wurden.
Bald nach dem Ende des Ersten Weltkrieges bemühten sich die Inzinger um ein neues, voller klingendes Glockengeläute. Am 2.6.1921 empfahl der Gemeinderat auf Veranlassung des Bauernbundes die Gründung eines Komitees und eines Fonds zur Anschaffung von Glocken.
Im Sommer 1922 kaufte die Gemeinde eine hellklingende A-Glocke von Telfs und die ,,Alte`` im Turm bekam eine Kameradin.
Das Geläute dieser beiden wurde bald durch zwei weitere Glocken verstärkt. Eine Haussammlung und der Opfergeist des Pfarrers Jakob Schreyer ermöglichten es, die Glocken bei der Fa.Adler und Hahn in Reutte gießen zu lassen. Die beiden im Turm begrüßten sie froh, als sie am 26.Oktober 1923 bei Musikklang und Böllerknall ins fahnengeschmückte Dorf einzog. Zwei Tage später weihte Pfarrer Schreyer unter Beteiligung einer großen Volksmenge und unter Mitwirkung der Musikkapelle, der Schützen und des Männerchores die beiden Glocken.
Die größere von ihnen war die ,,Marienglocke`` (Bild: Maria mit dem Kind; Tonhöhe fis). Sie trug die Inschrift: ,,Maria mit dem Kinde lieb, uns allen deinen Segen gib``. Im Buch ,,Glockenkunde von Tirol`` von Jungwirth wird sie als ,,eine derbe, flüchtige Arbeit`` bezeichnet.
Auf der kleineren Glocke, der Sterbeglocke, (Bild: Herz Jesu) stand die Inschrift: ,,Herz Jesu, Hoffnung derjenigen, die in dir sterben; erbarme dich unser!``
Bald kam es zwischen Gemeinde und Pfarrer zu der seit eh und je üblichen Auseinandersetzung wegen des Eigentums und wegen der Benützung der Glocken. Das hat folgende Gründe:
Manche Historiker erklären, daß schon im 7.Jahrhundert der Brauch aufkam, Glocken feierlich zu weihen und zu ,,taufen``. Durch die Weihe wurden die Glocken zum gottesdienstlichen oder zu sonstigem kirchlichen Gebrauch bestimmt. Die Kirche erachtete es somit als ihr selbstverständliches Recht, über die Benützung der Glocken verfügen zu können.
Die Beschaffung der Glocken und der Unterhalt des Glockenstuhles oblag nach altem Brauch dem, der die Baupflicht an der Kirche und insbesondere am Kirchturm zu tragen hatte, also meistens die Gemeinde. Diese stand daher auf dem Standpunkt ,,Wer zahlt, schafft an``. So kam es immer wieder - und nicht nur in Inzing - zwischen Pfarramt und Gemeindeamt zu Unstimmigkeiten.
In seiner Sitzung am 14.11.1923 stellte der Gemeinderat fest, daß die Glocken Eigentum der Gemeinde seien und bleiben müssen und daß ein solcher Vertrag mit dem Pfarrer abzuschließen sei. Am 17.1.1924 machte der Gemeinderat die Zahlung einer Restschuld von 15Millionen Kronen (für den Kauf der Glocken) davon abhängig, daß der Pfarrer eine entsprechende Urkunde unterschreibe. Ein vom Pfarrer vorgelegtes Schriftstück wurde am 3.4.1924 von der Gemeinde mit dem Bemerken abgelehnt, daß sie sich nicht aufzwingen lasse, wie geläutet werden dürfe. Noch am 8.Jänner 1942 weist die Gemeinde in einem Schreiben an das Landratsamt darauf hin, daß die Glocken aus den Mitteln der Dorfgemeinschaft aufgebracht worden seien und deshalb Eigentum der Gemeinde und nicht der Kirche seien.
Das Tauziehen um Eigentums- und Benützungsrechte über die Turmglocken dauerten einige Zeit an, doch kam es deshalb zu keinem Volksaufstand. Die Glocken waren über diesen kleinlichen Streit erhaben und ihr Läuten kündet weiterhin wie seit alter Zeit von Leid, Gefahr und Freude unseres dörflichen Lebens.
Das Zusammenklingen dieser vier Glocken befriedigte unsere Dorfbewohner nicht. Zu einem volltönenden Geläute fehlte vor allem eine große Glocke. Am 27.Oktober 1927 wählte man neuerdings ein Glockenkomitee. Dieses beschloß den Ankauf von zwei Glocken.
Wohl war der schreckliche Krieg vorbei, aber es sah nicht nach einem dauernden Frieden aus. Allen war noch die Glockenabnahme im Jahre 1916 in trauriger Erinnerung. Vor einem solchen Schicksal wollte man die neuen Glocken, besonders die große, bewahren. Die Mitglieder des Komitee meinten, daß eine besonders künstlerische Gestaltung die Glocken in einem künftigen Krieg vor dem Einschmelzen vielleicht retten konnte. Es dauerte keine zwanzig Jahre, da zeigte sich, daß die Ansicht des Ausschusses richtig war.
Der Krippenbauer Josef Kratzer schlug vor, die große Glocke mit dem Relief einer Weihnachtskrippe zu schmücken, der Passionsspielleiter Peter Paul Schärmer von Bruder Willram verfaßte Sprüche anzubringen und Postmeister Josef Nagele die Glockenwand mit je einem Stück aller Scheidemünzen, die von 1740 bis 1928 im Umlauf waren (insgesamt 88 Stück, darunter vier goldene und viele silberne Münzen) zu besetzen. Glockengießer Graßmayr, der die Glocken 1928 in Innsbruck goß, führte die Vorschläge durch.
Die ,,Große`` war 2100kg schwer, hatte Tonhöhe Cis und zeigte als Abbildung außer Krippe und Münzsammlung die Heiligen Anna, Hubert, Florian und Maria. Der Schallrand war mit einem Spruch Willrams geschmückt und lautete:
,,Der Krieg schlug unser tönend Erz
Sinnlos in tausend Scherben;
Da barst in Jammer unser Herz
Wir Glocken mußten sterben.
Doch rascher wie man es vermeint,
Sind wir vom Tod erstanden,
Und künden nun im Chor vereint
Den Frieden allen Landen.``Unter der Krippendarstellung steht die Mahnung ,,Harmonisch wie dies Geläute seien vom Berg und Dorf die Leute``.
,,Daß das Kreuz unser Anfang, Ende und Ziel,
das sagt uns das Inzinger Passionsspiel.``Die zweite Glocke war die ,,Versehglocke``, 470kg schwer, hatte Tonhöhe A und zeigte als Abbildung Petrus und Barbara. Ihre beiden Inschriften lauteten:
,,Mein Läuten bedeutet, lieber Christ,
daß der Heiland auf einem Versehgang ist.
Inzing und Telfs beten miteinander:
Von Blitz und Ungewitter erlöse uns, o Herr Jesu Christ!``Beide Glocken weihte Bischof Dr.Siegmund Waitz am 11.März 1928. Musikkapelle, Chor und Schützen umrahmten die Feier.
Das Geld für den Kauf der beiden letzten Glocken wurde durch Spenden der Bevölkerung und besonders auch durch Aufführungen des Volkstheatervereines aufgebracht.
Im Herbst 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Kurz nach Weihnachten 1941 war es wieder einmal so weit; auch die Kirchenglocken sollten etwas für den Endsieg beitragen, sollten abgenommen und eingeschmolzen werden. Der Kirchenrat bat in einem Schreiben an das Landratsamt Innsbruck vom Einschmelzen der ,,Alten`` und ,,Großen Cis-Glocke`` abzusehen.
Doch am 26., 27. und 28.Jänner 1942 wurden die Glocken abgenommen, nur die ,,Alte`` blieb zurück. Auch die ,,Große`` wurde verladen und nach Brixlegg gebracht.
Vor der Abnahme hatten sich unsere Glocken wie gute alte Freunde vom Dorf verabschiedet; eine Stunde lang tönte ihr wehmütiges Klagen über uns.
Die Gemeinde ersuchte die Brixlegger Montanwerke mit dem Zerschlagen der künstlerisch wertvollen Cis-Glocke solange zu warten, bis das Einschmelzen nicht mehr zu umgehen war. Wir hatten Glück. Bei Kriegsende stand sie noch unversehrt in Brixlegg und wurde bald nach Inzing heimgeholt.
Bei dieser Gelegenheit ,,organisierte`` der damalige Bürgermeister Josef Kranebitter - so nannte man die Beschaffung von bewirtschafteter Mangelware, die legal nur mit amtlichen Bezugsscheinen zu erhalten war - bei den Brixlegger Montanwerken Kupferplatten, die gleichzeitig mit der Glocke in unser Dorf kamen. Sechs Jahre später wurden die Platten eingeschmolzen und für den Guß der neuen Glocken verwendet.
Am Fronleichnamstag 1945 ließ die ,,Heimkehrerin`` im Verein der ,,Alten`` ihr klangvolles Geläute zur Freude aller Inzinger ertönen.
Am 13.August 1951 beauftragte die Gemeinde die Firma Graßmayr in Innsbruck mit der Lieferung von drei Glocken und zwar:
,,Hört in dem Glockenruf die Stimme dessen, der uns schuf.
Wenn meine Töne zum Himmel erschallen, sei aus den Tönen das Eine gehört,
ein treues Gedenken für die, die gefallen, ein Dank für die, die uns wiedergekehrt.``Am unteren Glockenrand sind zehn Münzen angebracht. Es sind Doppelschillinge mit dem Bildnis großer Österreicher.
,,Heilige Barbara erbitte uns eine selige Sterbestunde.``und
,,Eines Menschen Tod ich läut, seid bereit, seid bereit, alle Stund ist Sterbezeit.``
Das elektrische Geläute wurde erstmals von dem Betriebsleiter des Gemeinde E-Werkes, Josef Köhle, 1936 installiert.
Die jetzigen Glocken: | |||
Die Große | 2100kg | Cis | 1928 |
Die Alte | 1100kg | E | vor 1650 |
Kriegergedächtnisglocke | 750kg | Fis | 1951 |
Versehglocke | 470kg | A | 1951 |
Sterbeglocke | 77kg | G | 1951 |