Die Lehrer

Vor vierhundert Jahren waren noch viele Menschen Analphabeten. Man müßte nun eigentlich erwarten, daß die wenigen Menschen, die Lesen und Schreiben konnten, besonders geachtet waren. Das war aber nicht der Fall. Keinesfalls erfreuten sich die Elementarlehrer von den Zeiten der ersten Klosterschulen an bis ins 19.Jahrhundert einer besonderen Wertschätzung.

Schuld daran war unter anderem die schlechte Ausbildung der Lehrer. Vor Maria Theresia erlernten die Lehrer in einer Winkelschule oder anderswo Lesen und Schreiben, manchmal auch Rechnen und gaben ihre dürftigen Kenntnisse an die Schüler weiter, so gut sie es vermochten.

Als Maria Theresia die ,,Allgemeine Schuldordnung`` erließ, besserten sich die Verhältnisse etwas. Ein talentierter Bursche aus dem Dorfe, der sich damals für den Lehrberuf entschied, wurde in die Normalschule geschickt. Dort wurde er in sechs Monaten[*] zum Lehrer ausgebildet, wobei aber das ,,Orgelschlagen`` den Vorrang hatte. Nach dieser Ausbildung war er Unterlehrer. Nur wenige besuchten zweimal einen sechsmonatigen Kurs. Sie hatten dann allerdings Aussicht, in der Stadt angestellt zu werden.

In unserer Umgebung gab es solche Ausbildungsstätten in Innsbruck, in Imst[*] und im Kloster Stams.

Später mußte ein Lehramtskandidat vorher das Orgelspiel erlernt haben, sonst wurde er in die Schule nicht aufgenommen.

Bei diesem Ausbildungsstand ist es nicht verwunderlich, daß in den Biographien unserer großen Geistesführer bis ins 19. Jahrhundert kaum der Name eines Elementarlehrers aufscheint, der auf den Entwicklungsgang der Großen Einfluß gewann.

Zu jener Zeit waren die Klassenräume überfüllt und die Buben fielen durch ihr ungehobeltes Benehmen auf. Da mußte strengste Zucht herrschen. Man darf sich nicht wundern, daß mit Rutenstreichen und anderen körperlichen Züchtigungen nicht gespart wurde. Aber die Leute nahmen dem Lehrer seine Härte nicht übel und betrachteten es als Selbstverständlichkeit. Prangten doch auf den Titelblättern der Sprachbücher in den alten Lateinschulen Buch und Rute als Sinnbilder für Grammatik und Prügel. Damals herrschten noch derbe Sitten und die Menschen waren im Verkehr miteinander gröber als heute.

In diesem Zeitabschnitt wirkten - soweit ich bisher feststellen konnte - folgende Lehrer in unserer Gemeinde:

Der bereits erwähnte Andrä Prenßeisen, welcher 1630 im Dorfe eine Behausung besaß. Er unterrichtete vermutlich in der Stube eines Hauses Kinder in Lesen und Schreiben. So war es damals häufig üblich. Die Sippe der Prenseisen wohnte nachweislich mehr als zweihundert Jahre in unserem Dorfe. Der Name Prenseisen scheint noch in dem von Josef Schatz am 31. Dezember 1900 abgeschlossenen Verzeichnis der Inzinger Hausbesitzer auf.

Die Tätigkeit als Lehrer - ebenso auch als Organist und Mesner - wurde in jener Zeit oft von mehreren Generationen in der gleichen Familie ausgeübt. Es wäre also möglich, daß der im Theresianischen Kataster von 1775 als ,,Mössmer`` angeführte Ignas Prenseisen[*] auch als Lehrer tätig war.

Anfangs des 19. Jahrhunderts wirkte Josef Saurer hier als Mesner und Lehrer. Der damalige Kurat Dyonis Puecher hatte sein Elend mit ihm. Es kam zwischen ihnen zum Streit und Saurer wurde 1814 seines Dienstes enthoben. Bald darauf stellten sich bei Saurer Zeichen religiösen Wahnsinns ein. Er veranstaltete täglich abends in seiner Stube Gebetsstunden mit anschließender Predigt, prophezeite und gab an, verschiedene Erscheinungen zu haben. Viele Inzinger liefen ihm zu und sahen in ihm einen Heiligen. Der Kurat war machtlos. Aber die nicht eintreffenden Prophezeiungen und andere Umstände ließen immer deutlicher erkennen, daß man es mit einem Irrsinnigen zu tun hatte. Er starb 1834 in der Irrenanstalt.

Im Sterbebuch unserer Pfarrei ist der Tod der Therese Trenkerin beurkundet, die im Alter von 47 Jahren am 7. Juni 1815 an Faulfieber starb. Dabei steht der Vermerk: ,,Mit viel Leidwesen vermißt man ihre Geschicklichkeit und Tugend die selbe zu einer Schullehrerin so geschickt machte.`` Weil unsere Schule erst 1820 zweiklassig wurde, ist es ungeklärt, ob Therese Trenker zuletzt an Stelle Saurers unterrichtete oder ob sie vielleicht in Inzing-Berg tätig war.

1814[*] übernahm Alois Schretter den Mesner-, Organisten- und Lehrerdienst. Er stammte aus Pettnau und starb am Annatag (26. Juli) des Jahres 1839.

Ihm folgte, kaum achtzehnjährig, sein Sohn Peter Paul Schretter. Er war musikalisch gut begabt. Wie sein Vater beschloß er sein Leben am Annatag des Jahres 1871.

Da 1820 unsere Schule zweiklassig wurde, unterrichtete ein zweiter Lehrer, den man Schuladjunkt und später Unterlehrer nannte. Er führte die erste Klasse.

Als erster Unterlehrer wirkte Alois Gruber von 1820 bis 1862, nach ihm Alois Kircher (1862-1865).

Ihm folgte (1865-1869) der Unterlehrer Dagobert Natter, der 1847 in Rietz geboren war. Er wurde ein Opfer der Machtkämpfe zwischen Konservativen und Liberalen. Da er liberal eingestellt war, mußte er 1869 unser Dorf verlassen und wurde Eisenbahnbediensteter. Er war musikalisch hochbegabt und bildete die berühmte Sängervereinigung ,,Die Vogelweider`` aus. Natter liegt in Blumau bei Bozen begraben, wo ihm ein Gedenkstein gewidmet wurde.

Nach Natter unterrichtete in Inzing kein Unterlehrer mehr, denn 1869 errichtete das Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in Zams bei uns eine Filiale. Durch viele Jahrzehnte hindurch unterrichteten nun neben dem Schulleiter Schwestern in unserer Schule.

Nach P.P.Schretters Tode folgten drei Lehrer, die nur kurz in Inzing tätig waren, nämlich Kircher, Senn und Franz Kremser, der hier am 28.Jänner 1874 starb.

Von 1874 bis 1879 versah den Lehrer-, Mesner- und Organistendienst Lambert Schretter, ein Sohn des P.P.Schretter.

Durch das Reichsvolksschulgesetz von 1869 wurde die Lehrerausbildung grundlegend geändert. Die Studienzeit dauerte zunächst drei, später vier Jahre. Das Bildungsniveau und das Ansehen der Lehrerschaft hoben sich. Aber noch immer galt der Lehrer als der gestrenge Zuchtmeister. Nur wenige hatten die Gabe, ohne Stock in den überfüllten Klassen Ordnung und Disziplin zu halten.

Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde die Berufsausbildung für Lehrer auf fünf Jahre ausgedehnt.

Aufgrund der Schulreform von 1962 erfolgte die Ausbildung zum Volksschullehrer an den Pädagogischen Akademien. Die Ausbildungsdauer beträgt zwei Jahre. Im Schuljahr 1968-69 wurde der Studienbetrieb in diesen Schulen aufgenommen. Nur Maturanten einer höheren Schule - zumeist ist es das musisch-pädagogische Realgymnasium - werden in die Akademie aufgenommen.

In unserer Gesellschaft findet das ,,Kind`` immer mehr Interesse, wird in immer weiteren Kreisen zum Mittelpunkt. Ist in den ersten Jahrzehnten diese Jahrhunderts viel zur Hebung der körperlichen Wohlfahrt der Kinder geschehen, so bemüht man sich in den letzten Jahrzehnten dem Kind in seelischen Belangen gerecht zu werden. Die Psychologie schlug neue Wege ein und gelangte zu erstaunlichen Ergebnissen. Sie eröffnet heute der Pädagogik und Methodik neuartige, vielversprechende Perspektiven. Der Wissensstoff, den die Menschheit zur Bewältigung der Probleme in der Gegenwart und in der Zukunft braucht, wird immer umfangreicher. Alle diese Umstände zwangen dazu, die Berufsausbildung der Lehrer zu erweitern und nach neuen Gesichtspunkten zu gestalten.

Einst war ein Lehrer in der Schulstube der allgewaltige, unfehlbare Herrscher, außerhalb des Klassenzimmers aber der untertänigste Diener vieler in der Gemeinde. Er spielte keine schöne Rolle in der Öffentlichkeit. Auch das trug dazu bei, daß er meist wenig Ansehen genoß.

Bis in die Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts war der Pfarrer sein unmittelbarer Vorgesetzter in der Schule. Gleichzeitig war der Lehrer aber auch Mesner und Organist. Die Einkünfte aus diesen beiden Tätigkeiten waren für ihn lebensnotwendig. Sie verschafften ihm auch mehr Ansehen. Doch kam er dadurch in noch größere Unterordnung vom Pfarrer und die Reibungsflächen zwischen Pfarrer und Lehrer wuchsen. Er war der Strenge oder Milde seines Pfarrers ganz ausgeliefert. Gar oft mußte er sich widerspruchslos fügen und in seine mitunter unangenehme Lage schicken. Doch sicher herrschte in vielen Orten zwischen Pfarrer und Lehrer die schönste Harmonie. Es kam eben auf die Menschen an. In Inzing sind - vom Fall Saurer abgesehen - keine schweren Konflikte bekannt geworden.

Im Jahre 1879 wurde bei uns der Mesnerdienst vom Lehrberuf getrennt. Lehrer Lambert Schretter war der letzte Mesner.

Der Organistendienst wurde bis jetzt stets von Lehrern versorgt. Nur in kurzen Zwischenräumen waren die Organisten nicht Lehrpersonen.

Im 18. Jahrhundert und mehr noch in der folgenden Zeit herrschte ein lebhafter Kampf um die Schule. Jede Gruppe wollte die Jugend gewinnen. Der Weg zu ihr führte über den Lehrer. Manche Unbill, Bitternis und Verdrießlichkeit mußte er über sich ergehen lassen. Zunächst war es die Balgerei zwischen Konservativen und Liberalen, deren Auswirkungen z.Bsp. auch unser Lehrer Dagobert Natter zu spüren bekam. Zwischen den beiden Weltkriegen versuchten verschiedene politische Parteien mit mehr oder weniger Druck Lehrer und Jugend zu gewinnen. Während der nationalsozialistischen Diktatur kamen viele Lehrer unter die Räder. So wurde 1938 Schwester Emanuela Bayrer aus dem Schuldienst entlassen und der Schulleiter vorübergehend seines Amtes enthoben. Lehrschwester Leonissa Zausinger mußte ein Jahr später unsere Schule verlassen.

Auch 1945, nach Kriegsende, gab es aus politischen Gründen bei uns großen Lehrerwechsel. Im Schuljahr 1945/46 unterrichteten vollkommen neue Lehrer.

Die Entlohnung des Lehrers war sehr schlecht. Auch das trug dazu bei, daß das Amt eines Elementarlehrers nicht begehrt war.

Im 18.Jahrhundert verdiente ein Lehrer 70 bis 80 Gulden jährlich[*]. Diese Entlohnung reichte selbst bei genügsamsten Leben nicht aus. Die Haupteinnahme des Lehrers bildete der Ertrag des Mesner- und Organistendienstes. Nur so konnte er den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestreiten.

Der Lehrer wurde von der Gemeinde gezahlt und nicht immer wurde ihm der mühsam verdiente Lohn gerne gegeben. Besonders demütigend war es dann für ihn, wenn das persönliche Verhältnis zwischen ihm und dem Gemeindeoberhaupt getrübt war; da wurde ihm der karge Lohn oft lange mit der Begründung vorenthalten, daß kein Geld vorhanden sei. Es gab für den Lehrer keine Pension und wenn er starb, fielen seine Frau und Kinder der Gemeinde zur Last. Daß man über seine nicht selbstverschuldete Armut allgemein noch spottete, spricht deutlich von den rauhen Lebensformen der damaligen Zeit.

Dagobert Natter bekam 1866 eine jährliche Entlohnung von 126 Gulden[*]. Schulleiter Nagele berichtete 1893, daß der Lehrer von der Gemeindekasse für den vereinigten Lehrer- und Organistendienst jährlich 500fl nebst Freiwohnung und Freiholz erhielt. Eine Lehrschwester bekam von der Gemeinde 100fl und ebenfalls freie Wohnung im Armenhaus.[*]

1869 erließ die Regierung das Reichsvolksschulgesetz, in dem auch die Besoldung der Lehrer geregelt war. Aber von der Gesetzgebung bis zur praktischen Durchführung verging viel Zeit. Besonders unser konservatives Tirol stand gegen dieses liberale Gesetz in scharfer Opposition.

Erst am 30.April 1892 erhielt Tirol ein neues Landesschulgesetz, das die Gehaltsfrage der Lehrerschaft neu ordnete. Am 1.Jänner 1894 wurden den Lehrern das erstemal ihre Bezüge nach den neuen Bestimmungen ausgezahlt und zwar dem Schulleiter jährlich 400 Gulden und 20fl Leitungsgebühren, den Lehrerinnen je 300 Gulden. Der Organistendienst wurde besonders entlohnt.

Aus einer Übersicht über die Bezüge der Inzinger Lehrkräfte vom 1. Oktober 1904 bis 30. Juni 1907, die Pfarrer Waibl in seiner Eigenschaft als Obmann des Ortsschulrates am 18. Juli 1907 aufstellte, geht hervor, daß der Schulleiter für diesen Zeitraum 4166 Kronen 25 Heller und die beiden Lehrschwestern zusammen 3195K erhielten. Dieser Ausgabenbetrag von 7361,25K wurde gedeckt durch Einnahmen vom Steueramt 5249,85K, vom Bischof Gasser-Fond[*] 550 K und aus der Gemeindekasse 1859K, sodaß noch ein Überschuß von 288,60K verblieb.[*]

Im April 1911 erhielt der damalige Schulleiter ein Monatsgehalt von 100 Kronen.

Verschiedene Gesetze und Verordnungen verbesserten im Laufe der Jahre die Lehrergehälter. Von großem Wert war die Anordnung, mit der Lehrer den Landesbeamten gleichgestellt wurden. Sie erhielten ihre Bezüge nicht mehr von der Gemeinde, sondern vom Land. Seit 1932 wurden die Volksschullehrer nach dem Gehaltsschema der Bundeslehrpersonen vergütet.

Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurden die Lehrkräfte Reichsbeamte und hatten damit - vom finanziellen Standpunkt aus betrachtet - ihre günstigste Stellung erreicht.

Derzeit erhalten sie nach dem Gehaltsgesetz für Bundesbeamte ihre Monatsbezüge. Mit der Entlohnung der Lehrer durch die staatlichen Verwaltungsstellen entfielen jedoch nicht die finanziellen Leistungen der Gemeinde. Alljährlich mußten sie die sogenannten Schulbeiträge, deren Höhe gesetzlich geregelt war, an das Land abführen. Sie betrugen 1933 für unsere Gemeinde 6224,40 Schilling. Teilweise wurden diese Beiträge dadurch eingebracht, daß die Eltern pro Kind in den dreißiger Jahren fünf Schilling Schuldgeld zahlten. Ab dem dritten Kind einer Familie wurde kein Beitrag eingehoben. Zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur wurde der Schulbeitrag abgeschafft.



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