Sicherung des Innufers

Als die Bayern einwanderten und sich bei uns niederließen, war der Inn noch uneingeschränkter Gebieter im Tal. Als unsteter, wetterwendischer Herrscher zog er seine von Hang zu Hang sich hinziehenden Schleifen durchs Tal, sein reißendes Wasser grub zur Zeit der Schneeschmelze ein neues Bett und ließ tote Flußarme und Wasserlacken zurück. Im Wasser spiegelten sich Bäume und Sträucher der Au. Nach Hochwasser zeigten sich große Flächen graues Geröll und Sand.[*]

Die Verästelung des Flusses bildete größere und kleinere Inseln im Inn, die mit Gebüsch und Schotterbänken bedeckt waren.[*]

Wenn der Inn viel Wasser führte, waren diese Inseln überflutet. Als der Fluß später verbaut und eingeengt war, verschwanden sie. Vor diesen Verbauungen war der Inn stellenweise mit den ihn begleitenden Schotterbänken 200 bis 300 Meter breit. Er war von einem breiten Augürtel umgeben, der durch Jahrhunderte hindurch für Jagd, Weide und Brennholzgewinnung genutzt wurde.

Die Flurbezeichnungen ,,Obere Auäcker`` und ,,Untere Auäcker`` sowie ,,Herrenrauth`` deuten darauf hin, daß diese Wiesen und Äcker durch Rodungen aus den Innauen entstanden sind. Sie vermitteln uns eine Vorstellung über die frühere Ausdehnung der Au.[*]

Sicher versuchten die Bayern kurz nach ihrer Niederlassung (6. Jahrhundert), den Inn durch einfache Dämme zu bändigen, eine Arbeit, die nur selten von dauerndem Erfolg gekrönt war.

Schriftliche Berichte über solche Sicherungsbauten aus alten Zeiten sind kaum vorhanden. H.Gams schreibt in den ,,Tiroler Heimatblätter``, Jahrgang 1965, Heft 1-3, Seite 1, daß das Bett der Melach im 13. Jahrhundert durch Archen gesichert war, die oftmals erneuert wurden. Univ.Prof.Otto Stolz erwähnt solche Bauten für Stams. 1289 ließ der Hörtenberger Richter 12 Bauern in Polling und Hatting für die Lieferung von 100 Lärchenbäumen zum Bau von Archen Grundzinsen und Steuern nach. Alle diese Angaben bezeugen, daß die Menschen in jener Zeit Überschwemmungen nicht tatenlos über sich ergehen ließen.

Im 14. und 15. Jahrhundert erfolgten viele Archenbauten. Die Bauern errichteten sie durchweges aus Baumstämmen und dazwischen gelegten Steinen. Erst im 18. Jahrhundert wurden die Archen aus großen Steinen erbaut.

Das Inzinger Gemeindearchiv (Regesten Nr. 54) enthält einen Archenvertrag vom 8.6.1595 zwischen den Gemeinden Zirl und Inzing ,,wegen erhalt und machung deyenigen archengepeyen, so vermelte beide gemeinden Intzing und Zierle von den zunegst ab Zirler Yhn- unnd der Römischen Kaiserl.Majestät Tyrolischen Camerwesen verlegt und erhalten werden ... anfahennt biß herauf gegen und an deren von Ynntzingen aignen innhaben und archen stossendt.``

Die Archen- und Dammbauten sollten nicht nur einen Schutz vor Hochwasser bilden, sondern bezweckten auch neues Land zu gewinnen. Leider bildete der neuerrungene Boden häufig ein Streitobjekt zwischen Nachbargemeinden.

Eine Urkunde von 1447 berichtet uns von einem Streit zwischen unserer Gemeinde und Zirl wegen eines durch Einarchen gewonnenen Augrundes.

Am 28.3.1588 bezeugt in einem Schriftstück Blasius Gfässer, Richter zu Hörtenberg, daß die Nachbarschaft[*] zu Inzing und Zirl den ,,umb wegen der zwischen innen strittigen contribution[*] und machung ir der Zirler in Aigenhofen aw new[*] fürgenommen archenpaus`` ausgebrochenen Streit auf Befehl des Landesfürsten ddo. 21.3.1588 Innsbruck beigelegt haben.

Streitigkeiten zwischen den am Inn gelegenen Nachbargemeinden gab es auch aus anderen Gründen, da die neuerbauten Archen oft die Strömung des Wassers auf das gegenüberliegende Ufer lenkten. Am 15.3.1738 wird ,,denen von Inzing und Aigenhofen befohlen, sich im Streite wegen der Wurfarche[*] gütlich zu vergleichen``. Am 26.10.1768 berichtet ein Protokoll[*] über den Vergleich wegen der Arche am Schafgatterle bis zur Zirler gemeinschaftlichen Arche.

Doch nicht nur Felder und Wiesen, auch der für die Schiffahrt wichtige Verkehrsweg entlang des Inns mußte vor Überschwemmung geschützt werden. Schiffe, die von Hall nach Telfs unterwegs waren, wurden von Pferden innaufwärts gezogen. Vom schwerbeladenen Schiff - meist mit Salz - führte ein dickes Tau ans Land. Dieses Seil gabelte sich am Ende in mehrere Äste, an denen ein oder mehrere Pferde angespannt waren, die von Treibern geritten oder geführt wurden. Das dicke Tau hoben eigene Seilträger über die im Wege stehenden Hindernisse hinweg. Es ist wohl verständlich, daß nur auf geeigneten festen Wegen die Rösser diese schwere Arbeit leisten konnten.

Unter Maria Theresia (Regierungszeit 1740-1780) wurde ein Arbeitsplan für die Regulierung und ,,Geradleitung`` des Inn von Silz abwärts aufgestellt. An manchen Stellen begann man die ,,am Fluß liegenden öden Gründe, die teils mit Sand und Gries, teils mit Gras und Stauden bedeckt waren, zu fruchtbaren Wiesen und Äckern zu machen.``

Im Zeitraum von 1815 bis 1830 gab der Staat über eine halbe Million Gulden für die Verbauung des Inn aus. Durch diese Regelung wurde die Flußbreite auf 60 bis 80 Meter eingeengt.

Wenn auch die Bewohner in früheren Jahrhunderten Regulierungsarbeiten am Inn vornahmen, so führten sie doch erst im 19. Jahrhundert diese Arbeiten systematisch durch. Sie erreichten so eine Verengung des Innbettes, die Entstehung neuer Verlandung und damit die Neubildung von Erlenauen an Stelle der bisherigen Sand- und Schotterbänken.

Von 1876 bis 1898 erfolgten zwischen Telfs und Innsbruck Flußuferverbauungen. Sie kosteten 370000 Gulden; davon übernahm das Land nur 30 bis 42% der Kosten, die übrige Summe brachten die Gemeinden und die Interessentschaften auf.

Um 1880 verbaute man das Innufer zwischen Zirl und Telfs und zwar zum erstenmal nach überlegtem Plan aufgrund früher gewonnener Erkenntnisse. Dabei kam man von dem Bau der bisher üblichen Längsarchen ab und errichtete neuzeitliche Querarchen (auch Buhnen, Sporen, Traversen genannt). Man stellte nun hochwasserfreie Kiestraversen senkrecht zur Stromrichtung in den Fluß; es waren Schotterdämme, die mit Steinen verkleidet waren. Dieses System erwies sich als zweckmäßig und man verwendete es nun auch an anderen Orten.

Bei uns in Inzing waren die Regulierungsarbeiten schwieriger, da die Krümmungen des Flusses bei Dirschenbach kleine Radien hatten (325 und 350 Meter).

Die Gemeinden waren zu gewissen Erhaltungsarbeiten der Inndämme verpflichtet, so mußten z.B. Damm und Arche an der Zirler-Inzinger Gemeindegrenze von beiden Gemeinden gemeinsam erhalten werden. Erst am 12.11.1902 teilten sie die Arbeit, Inzing mußte ein Drittel, Zirl den Rest betreuen.

In den Jahren 1903-1904 erfolgten am Inn Uferschutzbauten, die einen Kostenaufwand von ca. 4500 Kronen erforderten.

Trotz dieser wiederholten Regulierungen war der Stand des Grundwasserspiegels keineswegs befriedigend und die Überschwemmungsgefahr immer noch groß.

Auf vielen Eingaben und Vorsprachen hin, teilte die Bezirkshauptmannschaft am 26.9.1912 mit, ,,daß der beklagenswerte Zustand der Talebene bei Inzing nicht so sehr durch lokale Maßnahmen, als vielmehr durch die systematische Inangriffnahme der Regulierung des Innflusses im allgemeinen behoben werden kann. Die Durchführung einer solchen Regulierung dürfte in Bälde zu gewärtigen sein ...

Ob und welche lokale Schutzmaßnahmen sich im Gemeindegebiet von Inzing als besonders dringend und im Interesse der einheitlichen Flußregulierung gelegen darstellen, wird die k.k.Innbauleitung erheben.``

Laut der Gemeinderatsprotokolle arbeitete die Gemeinde 1912/13 und 1918 am Innufer, doch Arbeiten größeren Ausmaßes, wie sie in dem vorhin erwähnten Schreiben der Bezirkshauptmannschaft genannt sind, erfolgten in unserem Gebiet erst nach dem Ersten Weltkrieg.

In den Jahren 1926-1929 widmete sich die Innbauleitung dem Ausbau der Innkurve beiderseits des Enterbachsporens. Die Kosten wurden zu 50% vom Bund, zu 30% vom Land und der Rest von den örtlichen Interessenten getragen. Zu diesen Interessenten gehörten die Gemeinde, die Bundesbahn und die Gaisauinteressentschaft.

Nach längeren Verhandlungen erklärte sich die Bundesbahn bereit, 7,8% der Bausumme zu übernehmen.[*] Die Gemeinde und die Gaisauinteressentschaft trugen die Belastung je zur Hälfte (6,1%). Die Interessentschaft teilte ihren Betrag auf die Mitglieder je nach Besitzanteil auf.

Mitglieder der Gaisauinteressentschaft waren damals: Vinzenz Klotz, Salzstraße 2, mit 2/3 Anteil; Ludwig Schlierenzauer, Hauptstraße 1 mit 1/8 Anteil; Johann Gaßler, Hauptstraße 17, mit 1/12 Anteil; Peter Kratzer, Salzstraße 1, Alois Kratzer, Kohlstatt 8 und Dr.Franz Grüner, Landeshauptmannstellvertreter, als Besitzer des Schlößl, mit je 1/24 Anteil.

Der Bauaufwand für die Regulierungsarbeiten im Jahre 1926/27 betrug laut Protokoll des Landesbauamtes vom 10.10.1927 118911,32 Schilling.

Um die Regulierung vollkommen abschließen zu können, plante die Innbauleitung flußaufwärts des Enterbachsporens ein 60 Meter langes Leitwerk. Dieses sollte an das aus den achtziger Jahren stammende Leitwerk in der Regulierungslinie angeschlossen werden. Den Plan führte die Innbauleitung 1927/28 aus. Die Kosten errechnete sie mit 40000 Schilling.

In das Innbauprogramm für 1928/29 nahm man die Verstärkung des Vorgrundes für das Leitwerk auf. Dieses hatte man flußaufwärts der Enterbachmündung im Winter 1926/27 hergestellt. Die Kosten der Arbeit betrugen 11700 S und wurden nach dem selben Aufteilungsschlüssel wie früher aufgebracht, nämlich 50 : 30 : 7,8 : 6,1 : 6,1Prozent.

Mit dem Abschluß dieser letzten Ergänzungsarbeiten war die vorgenommene Innregulierung im Raume Dirschenbach - Inzing erfüllt.

Die Steine für die Errichtung der Dämme holten die Arbeiter vom linken Innufer und bauten zu diesem Zwecke einen Notsteg über den Inn. Die Arbeiten gingen - verglichen mit dem raschen Arbeitsablauf der Gegenwart - langsam von sich. Pickel und Schaufel waren die wichtigsten Arbeitsgeräte. Diese und das Kleinfuhrwerk, häufig noch mit Kühen bespannt, gestatteten kein schnelleres Arbeitstempo. Bei Beginn dieser Regulierungsarbeiten gab es in Inzing noch kein Lastauto.

Der Steg über den Inn war für viele Inzinger, Dirschenbacher und Bewohner von Eigenhofen eine große Freude. Bequem und zeitsparend konnte man den Inn überqueren. Leider dauerte dieses Glück nicht lange. Nachdem die Arbeit beendet war, rissen die Arbeiter die Notbrücke wieder ab.[*]

Das Hochwasser am 13.6.1931 hatte am Enterbachsporen Schäden verursacht. Die Wiederinstandsetzung kostete 680S. 69% zahlte die Gemeinde.

Die Dammbrüche, durch die Hochflut am 8. und 9.7.1940 entstanden, wurden im Frühling des nächsten Jahres behoben. Dafür wurden 3185,13 Reichsmark aufgewendet; ein Zehntel beglich die Gemeinde.

Da die Ausbesserung der Hochwasserschäden vom 17.9.1960 für die Zukunft keinen ausreichenden Schutz geboten hätten, arbeitete das Baubezirksamt auf Wunsch der Gemeinden Inzing, Zirl und Unterperfuß ein Projekt aus.

Nach den Vorarbeiten errichtete man am rechten Innufer von der Enterbachmündung bis zur Melach und linksufrig von Dirschenbach bis Martinsbühel durchgehende Hochwasserschutzbauten (ca.8km Länge). Der Damm erhielt laut Plan eine Kronenbreite von 3 Metern (der alte war nur 1m breit), flußseitig eine Böschungsneigung von 1 : 2 und landseitig von 1 : 5. Der Dammhang wurde humisiert und eingesät, damit er landwirtschaftlich genutzt werden kann. Der Wirtschaftsweg verlief nicht wie bisher vor dem Damm, sondern auf der Dammkrone.

Der Hochdamm kostete auf Inzinger Gemeindegebiet 1,5 Millionen Schilling,[*] wozu unser Dorf 10% Kosten übernehmen mußte. Das Füllmaterial für den Inndamm kam aus den gemeindeeigenen Grundparzellen 1424 und 1425. Die Gemeinde erhielt je m \ensuremath{³} 1 Schilling Grubengeld und konnte so den Baraufwand für die Beitragskosten senken.

Für den Autobahnbau in unserem Raume mußte man den Inn verlegen. Diese Arbeiten begannen 1973. Die Autobahn verläuft im Inzinger Gebiet zunächst auf dem rechten Innufer. Westlich vom Bahnhofsgebäude überquert sie schräg den Inn und setzt sich am linken Ufer fort.

Da jedoch hier das Gelände für diesen breiten Verkehrsweg zu wenig Platz bietet, wird der Inn zwischen Inzing und Hatting (gegenüber Dirschenbach) auf eine Länge von 1500 Meter ca. 80 Meter nach Süden verlegt.

Vor Beginn dieser gewaltigen Erdbewegungen (über 800000 m \ensuremath{³}) verloren wir unsere schöne Innau, und damit die interessante Tierwelt. 90000 m \ensuremath{²} wurden gerodet; was übrig blieb, ist ein bejammernswerter kümmerlicher Rest.

Die Sohle des neunen Innbettes wird 70 Meter breit und beiderseits von Dämmen eingerahmt, deren Kronenhöhe 4 1/2 Meter über den Niederwasserstand hinausreicht. Die Pflasterungen am Ufer erfordern rund 230000 Tonnen Steine. Auf der 10 Meter breiten Dammkrone ist ein vier Meter breiter Wirtschaftsweg mit Banketten auf beiden Seiten geplant. Die Böschungen sollen humusiert und mit Sträuchern bepflanzt werden. Wo es möglich ist, will man auch Bäume setzen, um eine Landschaft zu schaffen, die einer Au ähnlich sieht. Hoffen wir, daß die Bauleitung ihr Versprechen einlöst!

Das Schüttmaterial für die Autobahn entnimmt man einer Sand- und Schottergrube, die oberhalb vom Inzinger Moos liegt.

http://www.pisch.at/Ernst/Wissen/Dorfbuch/Dorfbuch.html