Unser Gnadenbild

Erzherzog Ferdinand Karl[*] besaß ein Mariahilfbild, das der berühmte Maler und Kupferstecher Lukas Cranach[*] gemalt hatte.

Nach stürmischen Bitten schenkte der Erzherzog 1650 den Innsbruckern das Gemälde; die stellten es in der St.Jakobskirche, heute Dom, zur allgemeinen Verehrung auf. Augenscheinlich brachten die Menschen diesem Bild größtes Vertrauen entgegen. Viele Marienverehrer ließen daher mehr oder weniger gut gelungene Nachbildungen des Originals anfertigen. Sie sind in allen Teilen unseres Landes anzutreffen.

Unser Gnadenbild ist eine der ältesten Wiedergaben des Innsbrucker Originals. Leopold Gaßler, Bauer aus Inzing (Hauptstraße 13) hatte es von seinen Eltern geerbt, ihm aber keine besondere Beachtung geschenkt.

Seine Ehefrau Gertraud Hechenbergerin kehrte um die Weihnachtszeit 1685 eine Kammer aus. Die Sage berichtet, daß sie dabei ein Weinen hinter einer Truhe hörte und beim Nachsehen ein weinendes Muttergottesbild fand.

Über das weinende Bild heißt es in einem schriftlichen Bericht:

,,Die Hauswirtin Gerdrauth Hechenbergerin hat wahrgenommen, daß die Bildnis mit Zähren schweiße; und da sie nun solches zum öftren und häufiger gesehen, hat sie auch andere Benachbarte, umb der Begebenheit halber Kundschaft und Bericht einzuziehen und geben zu können, herzuberufen.``
Leopold Gaßler schreibt über die Begebenheit am 31.August 1686 an den Kuraten in Kaltenbrunn folgendes:

,,Ich kann nicht unterlassen, Eure Hochwürden mit disem Zettel zu berichten, wie und wasgestalt es sich in meinem Hause zugetragen mit einem Maria-Hilfbild, welches Bild zu der heiligen Weihnachtszeit die lichten Tränen vergossen; als wenn es natürlich geweint hätte, welches meine liebe Hausfrau augenscheinlich gesehen und mir dieselbe auch darnach solches gesagt hat. Den andern Tag zu morgen hab ich selbst geschaut, so hat dies Bild stark geschwitzt, daß es bis auf die Brust ganz naß geworden ist, und ich dasselbe unbesonnen mit einem Tüchlein abgewischt.``
Das Bild blieb von Weihnachten 1685 bis Sommer 1686 in Gaßlers Haus. In den letzten Tagen des Mai hielt sich in Inzing eine Besessene auf. Sie hieß Ursula Egger.

Es ist nicht bekannt, ob diese ihren dauernden Wohnsitz in Inzing hatte, oder ob sie sich nur zeitweise aufhielt. Gaßler war begierig zu erfahren, wie sich die vom Teufel Besessene vor dem Marienbild benehmen würde. Sie wurde deshalb in die Stube gebracht, in der sich das Bild befand. In einem Schreiben an den Kaltenbrunner Kuraten schilderte Gaßler, wie der Teufel die Arme geplagt habe und was dieser mit dem Munde der Egger gesprochen habe. Als Zeugen führt er Johann und Christian Fritz, Peter Windegger und Johann Dietrich an, die dabei zugegen waren.

Bei dieser Einvernahme habe, so die allgemeine Sage, Ursula Egger die Übertragung des Bildes nach Kaltenbrunn gefordert. Gaßler erwähnt in dem oben genannten Schreiben nichts davon. Daß das Gnadenbild tatsächlich in Kaltenbrunn war, geht aus einem Brief (vom 30.8.1686) des dortigen Kuraten hervor. Wahrscheinlich brachte es Gaßler selbst in der ersten Junihälfte dorthin.[*]

Am 14.September 1687 wurde es in feierlicher Prozession unter Beteiligung einer großen Menge Gläubiger vom Hochaltar in die neuerbaute Kapelle übertragen. Der gründliche Bericht erzählt darüber:

,,1687 den 14.Tag September, den Sonntag nach Pfingsten, als am Föst Creuzerhöhung wurden von der wunderthätigen Bildnuß auf dem Hochaltar Amt und Brödig nebst 8 Heiligen Mößen, um 12 uhr nachmittag Bey ainer großen Volksmenge aine ansöchliche Precession mit herumb Tragung der Gnaden Bildnuß nebst villen auch Benachbarten Creuz und fähnen, auch Absingen der Lauretänischen Lytäney abgehalten. Worauf die Bildnuß in die ihr zu Ehre neu erbauten Capell ibersözet und mit dem Abrosianischen Lob Gesang: Te Deum Laudamus die andacht selbigen Tag Beschloßen. Den anderten Tag Aber Sub portatili das erstemahl ein Levitirtes ambt sambt 6 hl.mößen gehalten auch der altar 1688 den 22.oct. von obangedeuten Seiner Hochfürstlich Gnaden Franziskus Johannes Graf Kuen Solemnissime eingeweiht worden. Deo sint Laudes.``
Eine kurz gefaßte Inschrift, nach der Renovierung im Jahre 1977 am Hause in der Hauptstraße 13 angebracht, zeigt an, daß Gaßler hier das Gnadenbild gefunden hatte. Die Gedenkschrift lautet:

,,Am 2.Junius 1679 soll dies geschehen sein, daß Leopold Gaßler ein weinendes Bildnis hinter einem Schrein hervorzog.

1839 renovierte Andre Gaßler allhier dies geschehen vom weinenden Gnadenbild.``
Alle Briefe und andere Texte geben das Jahr 1685 an, in dem sich das Mirakel abgespielt hat. Die Hausbesitzer haben keine Erklärung für das Datum des jetzigen Hausspruches. Auch das vorhergehende Wandgemälde mit Text an der Hauswand nannte 1685. Da hieß es:

,,Im Jahre 1685 allhier in den Haus zog Leopold Gaßler ein und sah ein weinend Bild hinter einem Schrank. Um die Weihnachtszeit soll dies geschehen sein.

Wie einst Elisabeth bei Maria O,Himmel, was ist das, dies Bild weinte helle Tränen. Seine Margareth reicht ihm ein Tuch, die Tränen wegzunehmen!

da lief die Nachbarschaft in aller Eil zusammen dahier als Zeugen waren, was da ist vorgegangen:

Der Taube hört, der Stumme spricht,

der Lahme geht, der Blinde sieht.

Dieses Bild ruht jetzt am Hochaltar zur Zuflucht aller Sünder zur Hilfe der ganzen Nachbarschaft zum Beistand ihrer Kinde.``
So lautete der Spruch am Hause vor der Renovierung.

1785 fand eine Jubiläumsfeier statt, die an die Auffindung des Gnadenbildes vor 100 Jahren erinnerte. Kurat Johann Schöpf erwähnt dies in seiner Aufschreibung über die zweite Säkularfeier. Bisher konnte ich aber weder im Pfarramt noch in den Archiven Aufzeichnungen über den Verlauf des Festes finden.

Über die zweite Jahrhundertfeier, die von Mittwoch, den 12.August bis Sonntag, den 16.August 1885 dauerte, verfaßte der damalige Kurat in Inzing, Johann Schöpf, einen Bericht, der vom Vorsteher Peter Hofer, von den Gemeinderäten Josef Klotz und Johann Spiegl, von den Ausschußmännern Gregor Haslwanter, Josef Mair, Josef Schlierenzauer, Simon Haslwanter, Michael Kratzer sowie vom Kooperator Franz Buchner und Lehrer Andreas Nagele mitunterfertigt ist. Diesem Bericht, der im Landesarchiv aufbewahrt ist, kann man folgendes entnehmen:

Schon am Vorabend der Säkularfeier, am Dienstag, den 11.8.1885, wurden in der Kirche Predigt und Rosenkranz gehalten, anschließend zog eine Lichterprozession mit Kerzen und Lampions durchs Dorf und zum Abschluß gab die Musikkapelle beim Pfarrhaus ein Konzert.

Am 12. August verkündeten um 3 Uhr früh Böller den eigentlichen Beginn der Jahrhundertfeier. Um 5 Uhr früh (so auch an allen folgenden Tagen) marschierte die Musikkapelle mit klingendem Spiel durchs Dorf.

Um 6 Uhr morgens empfingen bei der Bahnhaltestelle vor einem prächtigen Empfangsbogen (auch beim Dorfeingang gegen Zirl und Hatting standen Bögen) die Geistlichen des Dorfes und der Umgebung, der Bürgermeister mit seinen Gemeinderäten, die Musikkapelle, die Schützen mit Fahnen, Kranzjungfrauen und ein Großteil der Dorfbewohner den Fürstbischof von Brixen, Simon Aichner, und geleiteten ihn zur Kirche. Auch hier war das Portal mit einem Bogen und Gewinden geziert. Nach der Predigt des Bischofs fand das feierliche Pontifikalamt statt. Bei der Mittagstafel waren der Bischof mit 24 Geistlichen zugegen, wobei der Inzinger Kurat Joh. Schöpf zum Geistlichen Rat ernannt wurde.

Auch die übrigen Tage verliefen sehr feierlich. Jeder Tag wurde mit Böllerschießen und Weckruf durch die Musikkapelle eingeleitet. Um 8 Uhr waren Predigt und Hochamt, um 7 Uhr abends Predigt und Rosenkranz. Während der Säkularfeier wurden 10 Predigten von den Innsbrucker Jesuitenpadres abgehalten, denn die Jahrhundertfeier war mit einer Mission verbunden.

Am Donnerstag, 13. August, zelebrierte der Pfarrer von Telfs das Amt. Bei den Telfern genoß die Inzinger Muttergottes große Verehrung, hatte sie doch bei den häufigen Bittgängen ihre Gebete um gutes Wetter oft erhört. Den feierlichen Vormittagsgottesdienst am Freitag zelebrierte ein Dekan aus Preußen, Robert Veit, der damals im Inzinger Schloß ansässig war.

Den Höhepunkt des Festes bildete der hohe Frauentag, am Samstag, den 15. August. Den Festgottesdienst am Vor- und Nachmittag hielt der Prälat von Stams, Cölestin Prader, der ebenfalls wie der Bischof bei der Haltestelle feierlich empfangen und zur Kirche geleitet wurde. Beim Mittagsmahl zählte Kurat Schöpf 22 Geistliche.

Besonders erhebend war die Nachmittagsprozession, die unter Böllerknall und Glo"ckengeläute durch die Dorfstraßen zog. Schuljugend, Kranzjungfrauen, Schützen, die Musikkapellen von Inzing, Telfs, Oberhofen und Flaurling, eine unübersehbare Menge von Gläubigen und zahlreiche Geistliche, die das Gnadenbild begleiteten, (man hatte für das Bild eigens das Ferkulum vom Wiltener Junggesellenbund ausgeliehen) nahmen an dem Umzug teil. Das Allerheiligste wurde nicht mitgeführt, die Andacht war restlos auf das Gnadenbild gerichtet, das von vier Männern der Gaßlerschen Verwandtschaft in Volkstracht getragen wurde. Kurat Schöpf schätzte die Zahl der Teilnehmer auf 6000 und erwähnt, daß die umliegenden Dörfer buchstäblich leer waren.

Das ganze Dorf war zu Ehren der Gottesmutter geschmückt und glich einem Tempel Mariens. Die Häuser waren vielfach neu geputzt und geweißelt worden und mit Fahnen, Gewinden, Transparenten, Sprüchen oder Marienbildern geschmückt.

Das Schlußamt am Sonntag zelebrierte der Flauerlinger Dekan Josef Walter. Mit einem erhabenen Tedeum fand die 2. Säkularfeier ihren Abschluß.
Auch der 250 jährige Gedenktag wurde im Mai 1935 gefeiert. Wenn auch der Glaube nicht mehr so unerschütterlich fest im ganzen Volke verankert war, denn die politischen Verhältnisse der vorhergegangenen fünfzig Jahre hatten manches geändert, so verlief doch die Jubelfeier erbaulich und zeigte, daß die Inzinger Muttergottes in unserer Gemeinde große Verehrung genoß. Auch diesmal standen am Dorfeingang gegen Zirl und vor dem Kirchenportal imposante Bögen, die Häuser waren beflaggt und mit Sprüchen und Muttergottesbildern verziert.

Am Samstag den 11.5.1935 zog um 20 Uhr durch unser Dorf (Kirchgasse, Salzstraße, Dorfplatz, Bahnstraße, Angerweg, Hube, Hauptstraße zurück zur Kirche) eine Lichterprozession, an der auch der Fürstbischof von Salzburg, Dr.Sigismund Waitz, alle Korporationen unseres Dorfes und die meisten Dorfbewohner teilnahmen.

Am Muttertag, Sonntag, den 12. Mai, fanden Vormittag das feierliche Pontifikalamt und nachmittags unter Führung des Erzbischofs die Jubiläumsprozession statt. Obwohl daran nicht mehr soviele Gläubige teilnahmen wie vor fünfzig Jahren, verlief sie doch eindrucksvoll und erhebend.

Am Montag, den 13. Mai wurde in unserer Pfarrkirche vom hochw. Fürsterzbischof für die Kinder aus Inzing und Umgebung die heilige Firmung gespendet.

Nachmittags erhielt Pfarrer Jakob Schreyer vom Erzbischof das Dekret über seine Ernennung zum Geistlichen Rat.

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