Die Römer hatten sich um das Mittelmeer ihr großes Reich aufgebaut, das um 200 v.Chr. bis an den Südrand der Alpen reichte. In ihm standen Wirtschaft und Kultur auf hoher Stufe. Doch immer wieder fielen verschiedene Volksstämme in das nördliche Grenzland des römischen Reiches ein und verheerten es. So zogen, um nur ein Beispiel zu nennen, 113 v.Chr. die germanischen Cimbern durch das Inntal und zerstörten dabei die Siedlungen bei Vill und Himmelreich und bedrohten dann die römische Reichsgrenze. Um nun die fruchtbaren Gefilde Oberitaliens vor Verwüstung zu schonen, schoben sie ihre Grenze immer weiter nach Norden in den Alpenraum vor. Etwa 30 v.Chr. wurde der südlichste Teil Tirols unterjocht.
Der große römische Kaiser Augustus plante, die Grenze seines Reiches über die Alpen hinaus bis an die Donau vorzuschieben, denn an der Donau mit ihren von Felsen eingeschlossenen Engen und mit ihren breiten, versumpften Uferrainen waren angreifende Feinde leichter aufzuhalten als auf den Alpenpässen. Mit der Durchführung dieses Planes beauftragte er seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius.
In den Sommermonaten des Jahres 15 v.Chr. führten sie den entscheidenden Schlag gegen die Bergbewohner Nordtirols. Drusus drang über den Brenner entlang des Saumpfades ins Inntal vor, zog dann mit seinen Legionen gegen Zirl und von hier mit dem Hauptteil der römischen Truppen über die Seefelder Senke nach Bayern. Tiberius sicherte mit seinen Soldaten die linke Flanke des Drusischen Heeres, führte seine Streitmacht an den Bodensee und traf an der Donau mit seinem Bruder zusammen.
Römische Schriftsteller berichteten über diesen Feldzug. Wohl erwähnen sie den unerschrockenen Mut der Bergbewohner und schildern die harten und wilden Kämpfe. Auch in den römischen Heeresberichten wird die Tapferkeit der Breonen und Genauen hervorgehoben. Doch eine besondere militärische Leistung war dieser Kriegszug nicht. Die einheimische Bevölkerung war nicht nur zahlenmäßig den Römern unterlegen, sondern auch schlechter gerüstet als diese und unerfahren im Kampf mit geschulten Soldaten. Von Anfang an bestand für die Bergbevölkerung keine Aussicht auf Erfolg. Ob es auch in unserem Heimatraum zu Kämpfen mit den Römern gekommen ist, wissen wir nicht.
Den Siegern kam es hauptsächlich auf die militärische Beherrschung des Landes an. Wirtschaftlich ließ sich der Osten Österreichs mit seinen Bodenschätzen an Gold, Eisen und Salz besser ausnützen als unsere damals noch verhältnismäßig unwirtliche Heimat. Für die Römer war Tirol vor allem ein wichtiges Durchzugsland von Italien zur Donau. Schon bald nach der Eroberung unseres Landes errichteten sie daher eine Straße. Wahrscheinlich wurde schon unter Drusus der schmale Saumweg durch den Scharnitzer Urwald einigermaßen gangbar gemacht, doch war er für den großen Verkehr nicht geeignet. Die älteste Römerstraße, die unser Heimatland durchquerte, berührte unsere engere Heimat nicht. Sie führte von Italien durch den Vintschgau über den Reschenpaß nach Landeck und erreichte über den Fernpaß Augsburg, von den Römern Augusta Vindelicorum genannt. Sie wurde 46 und 47 n.Chr. unter dem römischen Kaiser Claudius vollendet und nach ihm Via Claudia Augusta benannt. Auf ihr wickelte sich der gesamte Durchzugsverkehr ab. Unsere engste Heimat blieb noch rund 200 Jahre abseits dieses Verkehrs. Für die Römer bestand vorläufig kein Bedürfnis, kostspielige Bergstraßen zu erbauen, denn ernsthafte Unruhen waren in und um unser Heimatland zunächst nicht zu erwarten.
Erst als die mächtigen Markomannen und Quaden aus Nordosten gegen das Römerreich drängten, gelangte die bisher wenig bedrohte Donaugrenze zu größerer militärischer Bedeutung und die Römer waren an kurzen Heeresstraßen interessiert. Nun wurde in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts und teilweise vielleicht erst in den ersten Jahrzehnten des 3. Jahrhunderts die Brennerstraße ausgebaut, die von Verona über den Brenner nach Veldidena (Wilten) führte. Von hier verlief die Straße wahrscheinlich am rechten Innufer talaufwärts und überbrückte bei Martinsbühel den Inn. Von der Brücke sind bisher keine Spuren gefunden worden. Der hochwasserführende Inn dürfte sie wohl im Laufe der Jahrhunderte restlos fortgespült haben. Die genaue Lage der Brücke ist daher nicht bekannt. Von Martinsbühel verlief die Straße vermutlich auf dem Berghang und führte dann vom heutigen Kalkwerk zum Weinberg, überquerte den Schloßbach, stieg zur ,,Platte`` empor, gelangte nun oberhalb der jetzigen Ruine Fragenstein zum Lattenbödele und nahm dann ungefähr denselben Verlauf wie die heutige Zirler Bergstraße.
Als dritter Verkehrsweg im Oberinntal wurde unter Kaiser Decius (249-251) die nach ihm benannte Straße von Bregenz über Immenstadt, Sonthofen, Hindelang, Tannhaim, Reutte, Lermoos, Fernpaß, Mieminger Plateau und Telfs nach Zirl gebaut. Hier mündete die Via Decia oder Via publica, wie sie auch genannt wurde, in die Straße ein, auf der man vom Brenner über Zirl und Scharnitz nach Augsburg gelangte. Über unser Gemeindegebiet führte keine Straße.
Die Kenntnis über den Verlauf der Straßen schöpfen die Historiker aus Funden bei Ausgrabungen. Besonders aufgefundene römische Meilensteine, die wie unsere Kilometersteine am Rand der Straße standen, kennzeichnen den Weg. Auf ihnen waren die Entfernungen vermerkt. So enthielten der 1835 bei Zirl ausgegrabene mannhohe Meilenstein die Inschrift XCVIII m.p., das heißt, 98 millia passum (millia = 1000, passum = 1 Doppelschritt = 1,47Meter; 1 millia passum = 1,47km). Die Länge der gesamten Brennerstraße von Verona nach Augsburg betrug CCLXXII m.p., das sind ca.400km.
Nun wurde auch in unserer engeren Heimat der Verkehr reger. Auf den Straßen marschierten römische Legionäre und rollte der Nachschub an Kriegsmaterial, wenn aus militärischen Gründen Truppenverschiebungen notwendig waren. Auch Verwaltungsbeamte, Kuriere und Händler benützten die Straße. Sicherlich mußten auch bei uns, wie überall im römischen Reiche, die Anrainer der Verkehrswege beim Bau und bei der Erhaltung der Straße mitarbeiten. Die kräftigen Bauernburschen wurden in die römische Truppe eingereiht und mußten fern der Heimat für die Interessen der Römer kämpfen. So kamen nun die hiesigen Bewohner mit den Römern in engere Verbindung. Das brachte ihnen auch manche Vorteile. Sie lernten vor allem bessere Werkzeuge und eine besser entwickelte Bautechnik kennen. Auch ein verhältnismäßig reger Handel entwickelte sich. Töpferwaren, Metalle, u.a. römische Erzeugnisse wurden gegen heimisches Vieh, Häute, Käse u. dgl. eingetauscht. All das verbesserte, wenn auch nur in bescheidenem Ausmaße, den Lebensstandard der Bewohner.
Um das Land militärisch beherrschen zu können, errichteten die Römer Militärlager und Kastelle. Ein solches stand auch auf der damals noch beidseitig vom Inn umspülten Felseninsel des heutigen Martinsbühel, das sie nach der bereits bestehenden Ortschaft Teriolis nannten. Da hier die Straße von Augsburg, vom Oberinntal und von Veldidena zusammentrafen und hier die Innbrücke stand, war Teriolis ein wichtiger militärischer Stützpunkt, der mehr und mehr an Bedeutung gewann, da germanische Scharen immer häufiger und bedrohlicher die römische Nordgrenze angriffen. Oft waren die Römer gezwungen, Truppenverschiebungen vorzunehmen. Den durchmarschierenden Militärkolonnen und Kurieren bot Teriolis Unterkunft und Verpflegung. Aus römischen Aufschreibungen ist bekannt, daß dieses Militärlager am Ausgang des 4. Jahrhunderts eine große Etappenstation war, in welcher der Befehlshaber eines Sonderkommandos und der Präfekt der III. italienischen Legion ihren Sitz hatten. Auch Ausgrabungen, die in Martinsbühel vorgenommen wurden, und Münzenfunde beweisen die Bedeutung dieses militärischen Standortes.
Die meisten in Martinsbühel gefundenen Münzen stammen aus dem 3. und 4. nachchristlichen Jahrhundert und zeigen Bildnisse römischer Kaiser. Auf den letzten Münzen ist Kaiser Theodosius (379-395) dargestellt. Mit dem plötzlichen Aufhören der Münzen nach Theodosius ist wohl der Schluß zu ziehen, daß Teriolis überraschend überfallen und zerstört worden ist. Auch an anderen Stellen unserer engeren Heimat wurden römische Münzen gefunden, so bei Fragenstein, Reith, Seefeld , Leiblfing, Pettnau, Hatting, Kematen, Afling, Wilten und Innsbruck.
Durch viele Generationen hindurch, rund 400 Jahre, beherrschten die Römer Tirol. Die staatliche Verwaltung, der Waffendienst der Jugend, der Verkehr mit den Soldaten und Händlern förderten die Romanisierung der Bevölkerung. Zuerst werden wohl die Menschen, die entlang der Römerstraßen, bei Militärlagern oder Raststationen wohnten, die lateinische Sprache in einem provinzialen Dialekt gesprochen haben; in den abseits gelegenen und nur dünn besiedelten Gebieten lebte das Volk seinen gewohnten Alltag und es herrschte wohl noch lange das Keltische oder Illyrische vor.
Sicherlich erlernten die Einwohner auf dem diesseitigen Innufer die römische Sprache langsamer als die Menschen des linken Innufers, denn unser Gebiet lag doch etwas abseits vom Verkehr. Aber im Laufe der Jahrzehnte nahmen auch sie die römische Sprache und manche römischen Lebensgewohnheiten an.
Orts- und Flurnamen, die auf die römische Sprache hindeuten, findet man im Vergleich zu anderen Teilen Tirols in unserem Wohnraum nur selten. So wird in den Dorfnamen Flaurling und Polling der römische Name Florinus und Pollio vermutet. Unser Flurname Rages ist nach Meinung mancher Sprachforscher römischen Ursprunges und ist auf ravicos sc.argos (= graues Feld) zurückzuführen. (Der Name wurde 1730 noch Rogeß geschrieben). Ebenso wird Toblaten (Touwletn) vom römischen Wort tabulatum (= Stadl) abgeleitet. Auch im Flurnamen Scharmes vermuten manche Wissenschaftler ein römisches Wort.
Die aus dem Römischen abgeleiteten Flurnamen besagen nun nicht, daß unser Gemeindegebiet von den Römern neu besiedelt wurde. Wahrscheinlich wurden die bereits in der Vorrömerzeit vorhandenen Flurnamen romanisiert. Bei den Römern bestand die Einrichtung, daß ausgediente Soldaten vom Staat ein Stück Land erhielten, das sie für ihre Zwecke bepflanzen und bearbeiten konnten. Solche Soldaten waren vielfach als Kolonisten in den neuerworbenen Ländern des römischen Reiches tätig. Unsere rauhe Gegend wird sicher nicht besonders begehrt gewesen sein, aber auf geeigneten Wiesen und Waldflächen erfolgten auch in Tirol solche Neugründungen. Unser Weilername Toblaten könnte auf eine Niederlassung durch die Römer hindeuten, doch ist dies keinesfalls sicher. Als Jahrhunderte später die Bayern in Tirol seßhaft geworden waren, übernahmen sie einige Wörter der römischen Bevölkerung und gebrauchten sie als Fremdwörter. Das römische Wort tabulatum war sicher im ganzen Lande verbreitet und verständlich. Unser Weiler Toblaten könnte demnach auch von den Bayern errichtet und mit dem Fremdwort bezeichnet worden sein.
Trotz dieser vielen Spuren, welche auf die Römer hinweisen, war die Romanisierung nur oberflächlich. Wohl erlernten die Illyrer, Etrusker, Kelten und Veneter während der jahrhundertelangen römischen Besatzung die Sprache der neuen Herrn, aber ihre kernige Art vermochten die Römer kaum zu beeinflussen. Schon bei flüchtiger Beobachtung fällt der starke Unterschied im Volkscharakter zwischen den Alpenbewohnern und den Italienern, den unmittelbaren Nachfolgern der Römer, auf. Dessen waren sich auch damals die Menschen unseres Landes bewußt. Noch Jahrhunderte später nannten sie sich stolz Breonen.
Auch siedlungsmäßig wird die Bedeutung der Römer für unsere Heimat nach Ansicht mehrerer Historiker überschätzt. Sie haben nicht eine einzige größere Siedlung in unserer Umgebung gebaut. Teriolos und Veldidena waren Militärstationen, in denen sich nur wenige Menschen dauernd niederließen. Der Zuzug von Römern, die bei uns eine neue Heimat fanden, kann nicht groß gewesen sein. Die wenigen besitzenden Schichten in unserem Lande, die vielleicht Römer waren, ferner Offiziere, Soldaten, Verwaltungsbeamte und etliche Händler, die römischer Abstammung waren, sind in den unruhigen Zeiten der Völkerwanderung größtenteils geflüchtet und fortgezogen.
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