Die Besiedlung unserer Heimat in der Zeit vor Christi Geburt

Die Zeit, in der die Menschen erstmals unser Heimatland Tirol betraten, ist in tiefes Dunkel gehüllt. Keinerlei Schrifttum berichtet aus jenen fernen Tagen. Die Wissenschaftler nennen diesen Zeitabschnitt die Urzeit und teilen ihn nach dem Material, aus dem die damals verwendeten Geräte und Waffen hergestellt waren, in Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit ein.

In der am weitesten zurückliegenden Zeit, in der sogenannten Älteren Steinzeit, welche die Gelehrten für Europa mit 50000 Jahren vor Chr.Geb. ansetzen, benützten die Menschen harte, ungeschliffene, nur zufällig spitze oder scharfkantige Steine als Werkzeuge oder Hiebwaffen. Später benutzten sie auch schon Steinbeile und Lanzen mit Horn-, Knochen- oder Steinspitzen und jagten damit den Auerochs, den Höhlenbären, das behaarte Nashorn, das Mammut und andere. Das erfuhren die Historiker durch Studium der Werkzeuge und Geräte, die bei Ausgrabungen gefunden wurden. Sie vermögen uns auch manches über die Lebensweise und Wohnstätten jener Menschen zu sagen. Über die Sprache und die geistigen Güter dieser altsteinzeitlichen Menschen sagen uns diese Funde jedoch nichts Sicheres.

Inzing im Jahre 1999

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In Tirol fand man bisher bei Ausgrabungen noch keine Spuren aus diesen fernliegenden Zeiten.[*] Nichts deutet darauf hin, daß sich in unserer engsten Heimat Menschen für längere Zeit niedergelassen hätten. Vielleicht kamen gelegentlich kühne Jäger bei ihren sommerlichen Wanderungen in unser Gebiet und erlegten mit ihren Steinwaffen das Wild und schufen sich mit ihren primitiven Werkzeugen flüchtige Wohnplätze. Jedenfalls war die Altsteinzeit für die Besiedlung unserer Heimat bedeutungslos.

In der Älteren Steinzeit gab es einen Zeitabschnitt, in dem sich das Klima veränderte. Es wurde kälter, die Gletscher wuchsen, bedeckten Berge und Täler und bereiteten jeglichem Leben ein Ende. Diese Vereisung unserer Landschaft dauerte ca.30000 Jahre.

Dann trat allmählich eine Klimabesserung ein. Es wurde wärmer, das Eis schmolz und Pflanzen und Tiere siedelten sich wieder an. Mit ihnen kamen auch wieder die Menschen. Manche Wissenschaftler nehmen an, daß jetzt eine kurzköpfige Menschenrasse in den Alpenraum einwanderte.[*] Nach und nach schoben diese Besiedler ihre Wohnplätze immer tiefer ins Gebirgsland vor. Man vermutet, daß sich solche Menschen auch im Becken von Innsbruck niederließen. Noch immer waren ihre Geräte und Waffen aus Stein und Knochen, aber sie waren schon künstlich zugeschliffen und zugespitzt. Sie sind das Kennzeichen der sogenannten Jüngeren Steinzeit. Diese Menschen konnten Töpferwaren herstellen, die sie einfach verzierten, konnten Stoffe weben, züchteten Vieh und bestellten mit schweren und steinernen Pflugscharen den Acker. Höhlen oder einfache Hütten, die einem Zelt ähnlich sahen, bildeten ihre Wohnstätten. Aber auch aus dieser Zeit fand man in unserem Gemeindegebiet noch keine Spuren menschlichen Lebens.

Gegen Ende der Jungsteinzeit begann die Einwanderung indogermanischer Menschen. Begünstigt wurde diese Besiedlung durch die nacheiszeitliche Wärmeperiode und wahrscheinlich auch durch das Bedürfnis der Menschen nach Erzen, besonders Kupfer, das in verschiedenen Gegenden Nordtirols zu finden war. Für diesen Zeitabschnitt liegt ein Fund vor, aus dem wir auf die Anwesenheit von Menschen in unserer Gegend schließen können.

Univ.Prof.Dr.R.v.Srbik[1] fand im Sommer 1931 auf der Solnalpe (1643 m Höhe) oberhalb Zirl, südwestlich des Großen Solsteins, einen Steinsplitter aus erbsengelbem Hornstein (ein Gestein, das in den Nordtiroler Kalkalpen nicht vorkommt) und bestimmte ihn als ein jungsteinzeitliches Werkzeug, das etwa als Locher, Bohrer oder Schaber gedient haben mag. Vielleicht war der Besitzer dieses Gerätes mit einem Menschentrupp aus dem Norden durch das Isartal über die Seefelder Senke ins Inntal nach Zirl gekommen und ließ sich hier auf den sonnigen Hängen nieder. Von da aus führte ihn vielleicht die Jagd oder die Suche nach Erzen in das Gebiet der Solnalpe und er verlor dabei das Werkzeug oder warf es fort, da die Spitze abgebrochen war. Dieser Fund ist aber noch kein Beweis dafür, daß in unserem engeren Heimatraum Dauersiedlungen vorhanden waren.

Um 1200 vor Chr. setzte dann eine verstärkte Einwanderung von Menschen nach Nordtirol ein. Es waren die Illyrer, die ebenfalls zu den Indogermanen gerechnet werden. Von allen Völkern, die vor Christi Geburt Tirol bewohnten, waren die Illyrer für die siedlungsgemäße und wirtschaftliche Durchdringung unseres Landes von größter Bedeutung.

Zahlreiche Funde bei Ausgrabungen beweisen, daß die Illyrer schon eine fortgeschrittene Kultur besaßen. Sie verbrannten ihre Toten und bewahrten die Asche in einer Urne auf, und stellten diese in eine mit Steinen ausgekleidete Grube. Rund um diese Urne wurden Gebrauchsgegenstände, Waffen und Schmuck des Toten gelegt und dann wurde die Grabstätte mit einer Steinplatte und Erde bedeckt. In unserer Umgebung wurden mehrere solche Urnengräber freigelegt, so in Imst, in Telfs, in Zirl beiden Wiederaufbauarbeiten nach dem großen Brand im Jahre 1908, in Innsbruck, 1882 bei Völs beim Bau der Arlbergstrecke, in Wilten, Sistrans, Thaur, Volders usw. Wohl gibt es für Inzing aus dieser Zeit keine solchen Belege, die auf die Anwesenheit von Menschen schließen lassen, doch kann man als sicher annehmen, daß es in unserem Bezirk eine dünne illyrische Besiedlung gegeben hat.

Diese Gräberfunde geben den Wissenschaftlern Auskunft über das Aussehen, über die Lebensweise, über die Geräte und über die Nahrung der damaligen Bewohner. Sie waren demnach ein Bauern- und Hirtenvolk, dessen Leben sich in einfachen Verhältnissen abwickelte. Sie waren verhältnismäßig kleine, aber zähe und ausdauernde Menschen. Das war für die Wildnis, in der sie leben mußten, auch notwendig. Die Talsohle war vom ungezügelten Lauf des Inns versumpft, erfüllt von seinen Schotter- und Sandbänken und den Murkegeln der Seitenbäche, bedeckt mit schwerdurchdringlichem Dickicht, aus dem Weidenbüsche, Erlen- und Pappelbäume aufragten. Die Berghänge waren mit unwegsamem Urwald bewachsen, in dem Bär, Wolf, Luchs und anderes Getier hauste. Die Jagd nach ihnen, die Früchte des Waldes, das Wildgemüse und das Fleisch der Haustiere (Rind, Ziege, Schaf, Pferd, Schwein) bildeten die Hauptnahrung dieser Menschen. Im Laufe der Zeit betrieben sie einen bescheidenen Ackerbau, der ihnen Gerste, Hirse, Hülsenfrüchte und Flachs lieferte. Der Hund bewachte ihre Herden und ihre Hütte, in denen sie wohnten. Das Vieh mußte sich sein Futter im Freien suchen. Im Sommer wurden die Kühe ober der Waldgrenze auf die Weide getrieben.

Die Bevölkerung unseres Landes wurde nach und nach zahlreicher. Neben den Geräten aus Stein wurden immer häufiger auch solche aus Bronze verwendet. Bronze ist ein Gemenge aus Kupfer und Zinn. Allmählich gelang es den Menschen die günstigste Mischung der beiden Metalle herauszufinden. Immer häufiger wurde die Bronze verwendet. Es begann die Bronzezeit. Der Anfang der Bronzezeit läßt sich nicht genau bestimmen. Kupfer und Zinn wurden immer mehr begehrt auch von Menschen, die nicht in Bergbaugebieten wohnten. Der Verkehr von Volk zu Volk wurde immer lebhafter. Ein bescheidener Handel entwickelte sich und infolge der besseren Werkzeuge hob sich auch allgemein die Wirtschaft. Ein Handel, und sei er auch noch so bescheiden, erfordert zwischen den Geschäftspartnern Wege. Ein solch urtümlicher Pfad führte wahrscheinlich auch über den Zirler Berg durch den Scharnitzer Urwald, der noch Jahrhunderte nach Christi Geburt die Landschaft zwischen Inntal und der Bayrischen Hochebene erfüllte, in das Gebiet am Nordrand der Alpen. Zwischen dem Inntal und dem Alpenvorland wird sich ein einfacher Tauschhandel abgewickelt haben.

Vermutlich haben die Menschen der Bronzezeit auf diesem Pfade auch ihr Vieh auf die waldfreien Almen des Innerkarwendels aufgetrieben, denn die Namen Soln, Christen, Pfeis, Gleirsch und andere stammen aus der Sprache der damaligen Bewohner. Auch die Ortsnamen Telfs, Zirl, Scharnitz, Ranggen, Perfens (Perfuß), Rietz leiten die Gelehrten aus der Sprache der vorrömischen Bevölkerung ab und nehmen an, daß damals von Landeck bis Kufstein die sonnigen Kegeln im Inntal und die Mittelgebirgstrasse besiedelt waren.

Als später dem Menschen die Kunst des Eisenschmelzens bekannt wurde, werden Schmuck, Geräte und Waffen zunächst noch selten, aber im Laufe der Jahrhunderte immer öfter aus Eisen hergestellt. In Hallstatt, im Salzkammergut, grub man die schönsten und zahlreichsten Funde aus. Die ganze Kulturperiode der ausgehenden Bronzezeit wird als Hallstattzeit (800-450 v. Chr.) bezeichnet. Auch in den vorher genannten Urnenfeldern wurden Gegenstände aus der Hallstattzeit gefunden. In den älteren Gräbern sind aber die Funde aus Eisen noch spärlich vertreten, denn Eisen war zunächst noch ein kostbarer Stoff.

Zu höherer Blüte gedieh die Eisenkultur in den letzten 500 Jahren vor der Zeitwende. Diese Epoche nennt man die La-Tène-Zeit nach dem Hauptfundort La Tène am Neuenburger See in der Schweiz. Dinge, die aus der Hallstattzeit und der La Tène Zeit stammen, wurden in vielen Orten Tirols gefunden. In unserer nächsten Umgebung, so in Telfs, Pfaffenhofen, auf dem Inzinger Burgbichl, in Ranggen, Zirl und Völs wurden ebenfalls solche Objekte geborgen. Besonders reiche Ergebnisse brachten die Ausgrabungen in Volders und Fritzens - Wattens zutage. Gefäße, die in Fritzens freigelegt wurden, zeigen große Ähnlichkeit mit Gegenständen, die an anderen Stellen Tirols ausgehoben wurden. Sie müssen also von Menschen gleicher Kultur und im gleichen Zeitraum erzeugt worden sein und man zählt alle diese Funde zur sogenannten Fritzner Kultur.

Für die La Tène Zeit haben wir den ersten sicheren Beweis, daß sich in unserem Gemeindegebiet Menschen dauernd oder zumindest für längere Zeit aufgehalten haben. Dies stellten mehrere Historiker fest.

Univ.Prof.Oswald Menghin[2] vermutete schon im Mai 1940 bei einer eingehenderen Besichtigung, daß es sich bei dem südwestlich unseres Dorfes gelegenen Burgbichl, auch ,,In der Burcht`` oder auch ,,Burg`` schlechthin genannt, um einen befestigten Moränenhügel handeln müsse. Der Hügel ist 830 m hoch, von auffälliger regelmäßiger zuspitzlaufender Form und fällt im Osten gegen das Waldtal am steilsten ab. Er besteht aus viel Schotter und wenig Sand. Aus dem moosigen Humus ragen nur wenige Steine hervor. Menghin fand besonders am Ost- und Nordabhang große Steinanhäufungen, die er für Reste einer alten Wallmauer ansah. Auch Erdwälle bis zu 5 Meter Höhe stellte er fest. In den grabenartigen Vertiefungen innerhalb der Erdwälle lag ebenfalls viel Steingeröll. Am Osthang des Hügels entdeckte er ein viereckiges Fundament aus Trockenmauerwerk, im Ausmaß 7 mal 7 Schritte, das er für einen Gebäuderest hielt. Da er beim Hinaufsteigen des Berges auch Scherben fand, die der Fritzner Kultur angehören, hielt er die ganze Anlage für einen Ringwall, also für eine befestigte Siedlung der La Tène Zeit.

Auch der heimische Geschichtsforscher Prof.Dr.Otto Stolz besichtigte diesen Hügel und bemerkte, daß er künstlich aufgeführt sein müsse und vielleicht ein Totenhügel sei. Am rückwärtigen Teil des Hügels liegt ein niedriger Sattel, welcher nach seiner Meinung zur Ersteigung bei der Auftragung des Hügels gedient haben könnte. Solche Gräber, in denen meist Häuptlinge oder angesehene Männer mit ihren Waffen, Ehrenzeichen und Gebrauchsgegenständen beigesetzt sind, wurden dort errichtet, wo sich die Menschen in der Urzeit niedergelassen hatten. Alle diese Totenhügel waren gewöhnlich auf einem Punkte mit wunderbarer Fernsicht errichtet. Wer einmal auf unserem Burgbühel stand, war von dem prachtvollen Rundblick sicher tief beeindruckt. Sehr oft sind mit solchen urzeitlichen Gräbern Sagen von verborgenen Schätzenverbunden. Auch vom Inzinger Burgbichl erzählt man, daß in ihm ein Schatz geborgen werden könne und daß auf der Spitze des Hügels Löcher zu sehen seien, die von Schatzgräbern herrühren sollen.

Unter der Leitung von Univ.Prof.Leonhard Franz[4] wurden 1954 Grabungen auf dem Burgbichl durchgeführt und zeigten folgende Ergebnisse:

Bei den Schuttanhäufungen handelt es sich um normalen Haldenschutt, der einwandfrei natürlich gelagert ist und keinerlei Anzeichen menschlicher Tätigkeit zeigt. Von Mauern und Mörtel war nichts zu sehen. Für die Errichtung von Trockenmauern ist das vorgefundene Material auch zu gerundet und im Allgemeinen auch zu kleinstückig. Die Erdwälle wurden nicht künstlich errichtet, sondern sind natürliche Erosionsformen. Diese Feststellungen bestätigte auch der beigezogene Geologe Univ.Prof.Doz.Dr.Georg Mutschlechner. Selbst die angelegten Suchgräben zeigten nirgends Mauerreste oder Pfostenlöcher, die auf eine Behausung schließen ließen. Die Annahme, daß der Hügel einmal befestigt gewesen sei, müsse also aufgegeben werden. Bei den Ausgrabungen wurden allerdings vorgeschichtliche Funde gemacht, die im Tiroler Landesmuseum (Ur- und frühgeschichtliche Abteilung) aufbewahrt sind.

Es wurden gefunden: ein 7 cm langer abgebrochener Wetzstein, zwei Bruchstücke eines tönernen Spinnwirtels und 120 Geschirrbruchstücke, die verhältnismäßig klein waren, und nur drei paßten so zueinander, daß sie sich zusammensetzen ließen. Die Scherben stammen von wenigen Gefäßen und lagen sehr zerstreut. Wahrscheinlich war der Scherbenhaufen vor 60 Jahren bei der Pflanzung von Föhren zerwühlt worden. Viele Scherben zeigen Verzierungen der Fritzner Art. Eine sichere zeitliche Bestimmung der Fundgegenstände konnte nicht erfolgen, doch dürfte nur die mittlere bis späte La Tène Zeit in Frage kommen.

Die Annahme, daß der Burgbichl ein Totenhügel sei, konnte nicht bestätigt werden.

Univ.Prof.Franz kommt zu folgendem Schluß: Der Inzinger Hügel hat nur wenige Menschen und diese anscheinend nur kurze Zeit beherbergt, auf ihm stand keine Niederlassung mit steinfundamentierten Bauten. Vielleicht waren es Hirten oder Waldarbeiter, die vorübergehend auf dem Hügel rasteten. Zurückgeblieben sind nur die keramischen Trümmer und der Wetzstein, kein einziger Gegenstand aus einem anderen Material.

Eine zweite Fundstelle, welche die Besiedlung in unserem Heimatraum für die ersten Jahrhunderte vor Christi Geburt beweist, liegt auf Rangger Gemeindegebiet, knapp hinter dem Burschelhof, der für den ältesten Hof von Ranggen gehalten wird. Die Grabungen wurden hier 1952 von Dr.Alfred Prinz zur Lippe geleitet und ergaben ein kleines Bauernhaus aus der La Tène Zeit, das ebenso wie die Inzinger Fundstelle auf einem Moränenhügel lag, der von der Bevölkerung Burschl genannt wird. Das Gebäude stand nicht zur Gänze auf dem Hügel, sondern war zum Teil in ihm hineingebaut. Das Gebäude, von dem natürlich nur mehr die Fundamentmauern teilweise erhalten sind, hatte Wohnräume und Stall, die durch Mauern getrennt waren und unter einem Dach lagen. Die Mauern waren aus ungehauenen Steinen zusammengefügt und in ihren Ritzen waren Pfosten eingelassen. Im Gebäude befand sich eine offene aus Feldsteinen annähernd quadratisch zusammengelegte Herdstelle. Auch hier fanden sich keine Spuren von Befestigungen, wie Prof.Menghin angenommen hatte. Das Haus war nur von wenigen Menschen bewohnt, wahrscheinlich nur von einer Familie. Ob in der Nähe auch andere Bauern wohnten, konnte nicht festgestellt werden. An Wasser, Wald, Acker und Weide wäre jedenfalls kein Mangel gewesen. Verschiedene Umstände sprechen dafür, daß das Haus abgebrannt ist. Ob sich nach dem Brande die alten oder neue Siedler wieder niedergelassen haben, läßt sich nicht feststellen. Nichts deutet auf einen Wiederaufbau hin. Prinz zur Lippe nimmt an, daß die alten Siedler hier kaum weitergelebt haben können, denn nicht ein einziger Flurname ist vorhanden, der auf die Sprache der vorrömischen Bevölkerung hinweist. Da keine Werkzeuge gefunden wurden, ist anzunehmen, daß die Bewohner beim Verlassen ihres Heimes ihre brauchbare Habe mitnahmen. Das Gebäude könnte also auch erst nach ihrem Abzuge abgebrannt sein (Waldbrand?). Die allgemein verbreitete Ansicht, daß Brandspuren in spätlatènezeitlichen Niederlassungen Nordtirols auf römische Gewalttaten hinweisen, trifft bei Ranggen nicht zu. Denn neben Knochen von Schaf, Ziege, Pferd, Schwein, Gams- und Rotwild sowie Scherben von Tongefäßen, die nach Fritzner Art verziert waren, wurden auch römische Gefäße gefunden, die aus der Zeit nach der Besetzung unserer Heimat durch die Römer stammen. Das Haus muß also noch nach der Zeit von 15 n.Chr. gestanden haben. Auf der Brandstätte wurden auch Bruchstücke von Bronzebeschlägen gefunden, die wohl als Ringe um den Hals von Tongefäßen gelegt waren. Auch Eisenplättchen wurden bei den Grabarbeiten geborgen. Das Rangger Steinhaus dürfte in der La Tène Zeit errichtet worden sein.

Den dritten Beweis, daß unsere Heimat in der La Tène Zeit besiedelt war, liefert Zirl. Die Ausgrabungen bei Martinsbühel, wo man auf Reste des alten Teriolis stieß, offenbarten eindeutig, daß Zirl spätestens in dieser Periode, wahrscheinlich aber schon früher dauernd bewohnt war.

Die Siedler dieser Zeit gehörten, wie bereits erwähnt, dem Volke der Illyrer an. Die Illyrer bildeten mehrere Volksstämme. Im Inntal saßen die Breonen, auch Breuni genannt (der Name Brenner soll an sie erinnern), am Nordrand der Alpen die Genaunen. Die Illyrer waren aber nicht das letzte Volk, das vor der Zeitwende in unser Land zog. Im Verlaufe der weiteren Zeit kamen noch andere Völker nach Tirol und wirkten wohl, wenn auch nur geringfügig, volksverändernd auf die Illyrer ein und beeinflußten die im Lande herrschende Kultur.

So hatten sich südlich der Alpen in Italien die aus Vorderasien kommenden Etrusker niedergelassen. Als dann später (ca.400 v.Chr.) die Kelten in diese Wohngebiete der Etrusker einfielen und sie aus ihrem fruchtbaren Gelände vertrieben, flüchteten die Verdrängten in die Berge Tirols und trafen mit den hier ansässigen Illyrern zusammen.

Die Kelten hatten aber auch das Land nördlich der Alpen besetzt. Von hier aus drangen sie in die Täler unseres Heimatlandes ein. In der keltischen Zeit waren jedenfalls die Haupttäler unserer Alpen, also auch das Inntal, schon verhältnismäßig dicht besetzt.

Auch die Kelten hinterließen Spuren ihres Lebens unter anderem stammen viele noch heute gebrauchten Flur- und Ortsbezeichnungen aus dem keltischen Wortschatz. So führt der Forscher Theodor Mairhofer [5] unseren Ortsnamen Inzing auf die keltische Sprache zurück. Nach ihm bedeutet die Silbe in klein und das Wort tinges oder theages Haus. Der keltische Name Inzing hieße also in unserer Sprache etwa Kleinhausen. Auch andere Bezeichnungen leitet er aus dem Keltischen ab, so Giggl vom irischen coiche (= Dorf) und lu (= klein), Lehnbach vom irischen lia (= Wasser), Inn ist von den gälischen Wörtern ean, an oder en abgeleitet und bedeutet Wasser (die Römer nannten den Inn Oenus oder Aenus). Roßkogel ist mit dem gälischen Wort ros (= Berg) verwandt usw. Irisch und gälisch sind ein Zweig des keltischen Sprachstammes und werden heute noch als Mundart in manchen Gegenden der britischen Insel gesprochen. Wenn Mairhofer also recht hätte, müßten die Kelten bei uns Dauersiedlungen angelegt haben, denn sonst hätten sie den Fluren, Bergen und Gewässern keine Namen gegeben. Sprachforscher der neueren Zeit sind allerdings der Meinung, daß die Flurbezeichnungen in unserer Gemeinde nicht aus vorchristlicher Zeit stammen und geben für unseren Dorfnamen eine andere Erklärung (vgl. Seite [*] im Kapitel ,,Einwanderung der Bayern``).

Gleichzeitig mit den Kelten oder später zogen die den Illyrern sprachlich verwandten Veneter in die Täler Nordtirols. Ob sie auch Plätze unseres Gebietes besetzten, ist unbekannt.

Die in Tirol eingedrungenen Etrusker führten auch den Namen Räter. Dieser Name wurde später von den Römern auf alle in unseren Alpen wohnenden Menschen übertragen, ohne Rücksicht auf ihre Volkszugehörigkeit. Auch die in unserem Bezirk seßhaften Bronen und Genaunen erhielten diese Bezeichnung.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß in den letzten zwei bis vier Jahrtausenden vor Christi sicher Menschen in unserem engsten Heimatraum gelebt haben. Vorher dürften wohl nur gelegentlich Menschentrupps bei uns gejagt oder sich vorübergehend aufgehalten haben. Doch ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Denn die Ausgrabungen, deren Ergebnisse uns die besten und sichersten Zeugnisse über das Leben der alten Völker geben, werden erst seit einigen Jahrzehnten vorgenommen. Bisher (1965) wurden in Tirol in 46 Gemeinden 87 erfolgreiche Ausgrabungen durchgeführt. Jedes Jahrzehnt bringt neue Kenntnisse und klärt, was heute noch problematisch ist.

http://www.pisch.at/Ernst/Wissen/Dorfbuch/Dorfbuch.html